Mein Naumburg – Dein Naumburg

Das ist unsere Geschichte IN und MIT Naumburg

Stefan Bouillon History
Stefan Bouillon History (Video)

Und hier lesen Sie die ganze Geschichte…..

Mein Naumburg – Ihr Naumburg

Meine Naumburger Geschichte: Meine Mutter wurde in Naumburg geboren, ihre Schwester in Bad Kösen. Beide wuchsen in Bad Kösen auf, wo mein Großvater 20 Jahre lang Prokurist der dortigen Mühle war. Von 1932 bis 1952 wurzelte die Familie genau hier.

Ich komme auch nur deshalb aus dem „Westen“, weil meine Familie 1952 entwurzelt wurde. Die junge DDR wollte den gesellschaftlichen Umbau mit der Brechstange. Führungskräfte – und selbst so unverdächtige – wie ein kaufmännischer Leiter eines mittelständischen Betriebes wurden unter Generalverdacht gestellt, grundlos und plötzlich inhaftiert und ebenso plötzlich wieder freigelassen. Kein Haftbefehl, kein Prozess, einfach nur Zermürbung. Das hat gewirkt. Der Familie war klar, dass sie in der DDR keine Zukunft hatte. Darum siedelte sie wieder dorthin, woher sie kam an den Rhein. Ich wurde im beschaulich-schönen, historischen Linz, der bunten Stadt am Rhein groß.

In den Wochen, in denen ich mich jetzt in Naumburg intensiv umtue, Gespräche mit Handel und Gastronomie, Kultur und Vereinen führe, sehe ich immer deutlicher: neben der Frage der wirtschaftlichen Entwicklung gibt es eine unausgesprochene Problematik, die ich mit einem nach wie vor bestehenden Ost-West-Gegensatz umschreiben möchte. Einer Problematik, die es so im Westen nicht gibt. Der mehrfache Aderlass unmittelbar nach der Entstehung der DDR, der nicht nur meine Familie in den Westen führte, sondern Heerscharen gerade von hochqualifizierten Fachkräften, hatte ein Ausmaß, den ich bei dem Besuch der ehemaligen Schulfreundin meiner Tante in Bad Kösen erahnen konnte. Von der damaligen Klasse migrierte der allergrößte Teil in den Westen. Der zweite Aderlass erfolgte nach der Wende und so entsteht ein demografisches Problem. Es ist aber auch ein psychisch-soziales Problem, da es einhergeht mit Verwerfungen, die als Folge defizitärer Anpassungsprozesse an die „Westordnung“ zu verstehen sind. Zerstörte Existenzen und das Gefühl, vielfach über den Tisch gezogen worden zu sein, gehen damit einher. Und so steht die Rettung ganzer Innenstädte, die eine bröckelnde DDR hinterließ, die Sanierung und der Ausbau der Infrastrukturen, dem Entstehen neuer Betriebe, eine durchaus gemischte Bilanz gegenüber. Hinzu kommen umgekehrt ebenfalls nach wie vor verbreitete Vorbehalte im Westen.

Ich finde, dass ist 30 Jahre nach der Wende nicht mehr hinnehmbar. Es belastet das gesamte gesellschaftliche System. Man steht sich so gewissermaßen selber auf den Füßen. Aber was kann ein Oberbürgermeister hier tun? Eine ganze Menge, meine ich.

Er muss dies zunächst einmal als Problem erfassen. Dann geht es darum, dies als weichen Faktor der Politik zu begreifen und immer wieder anzugehen. Im Austausch mit Schulen, mit Institutionen wie Museen, Stadtarchiv o.ä. Aber auch mit gezielten Veranstaltungen. Es kann dabei nicht um Besserwisserei oder Belehrung gehen, sondern um eine nüchterne Bestandsaufnahme, um die Feststellung und Ausmessung der sozialen Kosten, die als Folge der Wiedervereinigung eben auch eingetreten sind. Vor allen Dingen sollten aber weder Fehlentwicklungen nach der Wende noch solche die mit dem DDR-Unrechtsstaat einhergingen, einfach unter den Teppich gekehrt bleiben.

AUFRUF:

Ich möchte darum, Ihre Familiengeschichte hören und möglichst bewahren. Schreiben Sie Ihre eigene Geschichte vor der Wende und danach auf. Dokumentieren Sie das Erlebte mit Fotos, Briefen, Bescheiden u.ä.

Dieser Appell geht gerade auch an die Jüngeren, an die Kinder und Enkel.

Fragt die Großeltern, wie es war und dokumentiert es, bevor es in Vergessenheit gerät.

Kontaktieren Sie mich und ich besuche Sie auf einen Kaffee und bringe gerne ein Stück Kuchen mit.

Was sich sammeln lässt muss den Geschichtsvereinen, dem Stadtarchiv und den Museen zur Verfügung gestellt werden. Mal sehen, was kommt.

Gegebenenfalls könnten daraus Projekte entstehen: Projekte in Schulen, Zusammenarbeit mit Universitäten, die sich um das zeitgeschichtliche Erbe bemühen wollen. Die wissenschaftliche Aufbereitung der sogenannten Oral History setzt eine gewisse Menge an Material und historische Methodensicherheit voraus.

Aber auch Kirche und Kultur können diesen Prozess der Aufarbeitung begleiten.

Tatsächlich bin ich überzeugt, dass dies ein wichtiger Mosaikstein ist, um Naumburg und seine Region dahin zu bringen, wo sie vor dem DDR-Regime stand: als Mitte Deutschlands und Zentrum Europas, das jahrhundertelang maßgebliche kulturelle und intellektuelle Impulse für Deutschland, Europa und die Welt gegeben hat.

Nietzsche, Luther, Goethe, Schiller, Bach und Klopstock lassen grüßen.

Geschichte verpflichtet! Eben auch die eigene!